Medienmitteilung KGTV Herbstplenarversammlung 2025
Am 18. November fand die jährliche Herbstplenarversammlung der Konferenz der Gebäudetechnik-Verbände statt. Sie widmete sich dem Thema «Netz, Speicher und dynamische Preise». Gastgeber war Siemens Smart Infrastructure in Zug.
Nach der Begrüssung durch KGTV-Präsidentin Franziska Ryser, die auf die energiepolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre zu sprechen kam und die Gebäudetechnik als einen der zentralen Bausteine darin präsentierte, stellte Jürg Herzog, Country Head Smart Infrastructure Switzerland, Siemens Smart Infrastructure vor. Das Ziel der Business Division ist die Entwicklung von resistenten und resilienten Netzen und das Voranbringen der Dekarbonisierung. Dazu setzt Siemens auf Forschung, Entwicklung, Ausbildung und Produktion. Das deutsche Unternehmen ist bereits seit 1894 in der Schweiz tätig und beschäftigt hier 6000 Mitarbeitende, davon 1560 am Standort in Zug. Siemens Smart Infrastructure ist damit der zweitgrösste Arbeitgeber im Kanton und erwirtschaftet weltweit einen Umsatz von 23 Mrd. €, davon 3 Mrd. Fr. in der Schweiz. Global sind 80'000 Mitarbeitende für Siemens Smart Infrastructure tätig. Eines der wichtigsten Ziele von Siemens Smart Infrastructure ist die Transformation von Gebäuden zu mehr Resilienz, Effizienz und Komfort sowie die Digitalisierung der Netze. Dazu setzt das Unternehmen auf verschiedene Softwaresysteme für Gebäudemanagement, IoT-Lösungen und Messtechnologie sowie Netzmanagement- und betrieb. Teilweise werden diese Lösungen in Zug entwickelt.
Der Siemens Campus Zug, an dem die Plenarversammlung stattgefunden hat, bietet 1700 klimaneutrale Arbeitsplätze. Er folgt damit dem DEGREE-Rahmenwerk von Siemens, das ehrgeizige Ziele für Dekarbonisierung, Ethik, Governance, Ressourceneffizienz, Gleichstellung und Befähigung von Mitarbeitenden vorsieht. Neben Massnahmen im eigenen Betrieb, wie der Einsatz einer komplett fossilfreien Serviceflotte, überprüft Siemens im Rahmen von DEGREE auch seine Lieferketten und versucht so die Nachhaltigkeit bei seinen 67500 Lieferanten in 140 Ländern zu verbessern. Zur Bewertung dient dazu die EPD-Richtlinie der EU. Siemens ist Mitglied des KGTV-Mitglieds Gruppe der Schweizerischen Gebäudetechnik-Industrie GSGI. Die Gruppe vertritt 125 Unternehmen mit 36'000 Mitarbeitenden, 4'000 Lernenden und einem Umsatz von 10,4 Mrd. Fr.
Betriebsführung
Im Anschluss an die Vorstellung von Siemens Smart Infrastructure fand für die KGTV-Mitglieder eine Betriebsführung statt. Sabrina Vetter, Leiterin des Besucherzentrums, präsentierte im Campus-eigenen 4D Experience Room die Möglichkeiten zur Infrastrukturtransformation, die Siemens verfolgt. Als Beispiel diente der Gesundheitssektor. Hier sei der Effizienzdruck besonders hoch. Der Bedarf an Dienstleistungen nähme aufgrund des demografischen Wandels immer weiter zu, während immer weniger Fachkräfte in der Branche gehalten werden könnten. Zusammen mit der KI des Experience Rooms zeigte Sabrina Vetter, wie in einem Spital Nachhaltigkeit und Produktivität durch Digitalisierung erhöht werden könnten. Z.B. erhielten die Patientinnen und Patienten individuelle Kontrolle über die Gebäudetechnik in ihren Krankenzimmern, was zu ihrem Wohlbefinden beitrage. Das Pflegepersonal, das heute einen Grossteil seiner Arbeit, damit verbringe, Equipment im Spital zusammenzusuchen, würde durch entsprechende Trackingsoftware entlastet, so dass es sich mehr den Patientinnen und Patienten widmen könne. Gleichzeitig reduziere sich dadurch der Geräteschwund. Ein solches System sei bereits im Kantonsspital Baden im Einsatz. Weiter unterstütze Siemens mit technischen Lösungen die Optimierung von administrativen Abläufen. Beispielsweise sei ein digitaler Check-In möglich, so dass Patientinnen und Patienten direkt auf den vereinbarten Behandlungstermin im Spital eintreffen könnten, ohne zuerst alle Formalitäten erledigen zu müssen.
Einen Überblick über die Produktion vor Ort konnte den KGTV-Mitgliedern Simon Niederberger, Leiter Interne Logistik, verschaffen. In Zug stehe eine von acht Schlüsselfabriken von Siemens Smart Infrastructure. Auf 2 Stockwerken mit total 11'500 m2 Fläche produzierten 320 Mitarbeitende in 2 – 3 Schichten 1226 Produkte. Jährlich fänden 75 Produktneueinführungen und die Produktion von 550 Prototypen statt, wobei letztere zahlenmässig abnähmen, seit mit digitalen Zwillingen gearbeitet würde. Das meistproduzierte Produkt vor Ort seien Brandmelder: Die Mitarbeitenden stellten davon täglich 11'000 Einheiten her. Das Werk verfüge über Rohmaterialpuffer für einen Tag; der restliche Bedarf werde per E-LKW von extern angeliefert. Auch bei Siemens Smart Infrastructure mache sich der Fachkräftemangel bemerkbar. Insbesondere Logistikerinnen und Logistiker seien kaum verfügbar. Das Werk reagiere darauf, dass verwandte Berufe rekrutiert und danach nachgeschult würden.
Fachvorträge
Der Nachmittag stand ganz im Zeichen des Themas «Netz, Speicher und dynamische Preise». Eröffnet wurde er durch Joel Portmann, Head of Sales von Siemens Smart Infrastructure Buildings. Er bemängelte die grosse Fragmentierung der Gebäudetechnik-Branche, die an und für sich schon mit der hohen technischen Komplexität und zentralen Trends wie Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft oder Digitalisierung und Plattformwirtschaft zu kämpfen hätte. Auch die regulatorischen Anforderungen nähmen immer weiter zu. Es wäre daher wichtig, wenn die Verbände der Branche näher zusammenarbeiten würden und es mehr interoperable Plattformen gäbe. Damit liesse sich auch der akute Fachkräftemangel besser angehen. Portmann sah in den digitalen Technologien BIM, KI und der Plattformökonomie grosses Effizienzpotenzial, beklagte aber, dass sie in der Planung kaum berücksichtigt würden. Damit die Bevölkerung die grosse Bedeutung der Gebäudetechnik erkenne, wäre dies aber unabdingbar. Die laufenden Megatrends würden die Bedeutung der Branche noch steigern, namentlich hinsichtlich Automatisierung und Low Tech-Trends. Neben einer stärkeren Kooperation zwischen den Verbänden und der Planung (namentlich dem SIA) wäre es auch wichtig, die gesamte Branche zu konsolidieren und Standardisierungen voranzutreiben. Auch seine hinsichtlich digitaler Plattformen eine Entkopplung von US-Anbietern voranzutreiben.
Olivier Stössel, Leiter Netze beim VSE, kam auf die Herausforderungen des Stromnetzes bei steigendem Photovoltaik-Anteil an der Produktion zu sprechen. Netze seien grundsätzlich nicht symmetrisch: Mit jedem Kunden, der mit Strom versorgt werde, sinke die Spannung im Netz ein wenig, so dass mit den Trafos eine Korrektur vorgenommen werden müsse, um das Zielband von 360 bis 440 Volt zu erreichen. Wenn in einer solchen Situation eine PV-Anlage Strom einspeise, erhöhe sich die Spannung über den gewollten Zielwert. Mit Ortsnetztrafos könne dieses Problem abgefangen werden, diese stünden aber noch nicht überall zur Verfügung. Teilweise müssten ausserdem die Kabel verstärkt werden. Bei den Flexibilitäten sei mehr Planungssicherheit nötig, d.h. sie müssten für die gesamte Lebensdauer einer Anlage verfügbar sein. In dieser Situation sei es stossend, dass das BFE einen diskriminierungsfreien Handel haben wolle. Gemäss VSE wäre dies nur mit einem Algorithmus möglich. Ebenfalls sehr komplex sei die Rückerstattung des Netzentgeltes. Eine Verbesserung der Situation erwarte Stössel mit der Einführung von Stundenmarktpreisen. Insgesamt könne der Netzausbau mit Flexibilitäten zwar etwas aufgeschoben werden, er würde aber früher oder später dennoch unabdingbar, wenn die Ziele der Energiepolitik erreicht werden sollten.
Stössel skizzierte weiter, was bei einem Kraftwerkausfall im europäischen Verbund passiert. Das betroffene Kraftwerk drehe noch einige Zeit weiter und müsse dann durch andere Kraftwerke ausgeglichen werden, die sich innert 30 Sekunden zuschalten liessen. Da Photovoltaik und Wind nur Gleichstrom lieferten, der über Wechselrichter in Wechselstrom umgewandelt würde, steige die Bedeutung von Flexibilitäten noch weiter an. Dabei wäre es wichtig, dass Betriebsgruppenverantwortliche und Verteilnetzbetreiber sich koordinieren dürften. Leider ist nicht klar, wann solche Lösungen entstünden, da die Finanzierung von Innovationen heute auf 0,5 Mio. Fr. limitiert sei.
Dr. Michael Haller, Leiter Forschung SPF an der FHO, erklärte, welche Speicherlösungen für die Zukunft nötig seien, wenn natürliche durch erneuerbare Energieträger ersetzt werden sollten. Dabei spiele namentlich die Sektorkopplung eine Rolle, bei der verschiedene Energieströme verbunden würden. Grundsätzlich gäbe es Kurzfristspeicher für den Tag-Nacht-Ausgleich, Mittelfristspeicher für Dunkelflauten und Langfristspeicher für den saisonalen Ausgleich. Kurzfristig liesse sich Energie durch dezentrale Flexibilisierung speichern. Mittelfristige Speicherung liesse sich durch eine Diversifikation der Energieträger erreichen und langfristige Speicherung würde durch chemische oder thermische Speicherung erreicht. Der tatsächliche Speicherbedarf sei dabei vom Stromkonsum der Gebäude abhängig. Nur durch hohe Renovationsraten bei der Gebäudehülle liesse sich dieser spürbar senken. Für den Ersatz von fossilen Energieträgern im Flugbereich sehe Michel Haller derzeit noch keine Lösung. Allenfalls müsse hier mit Synfuels gearbeitet werden.
Beat Fuchs, Sales Executive, Energy Services & Supply bei Siemens, kam noch einmal auf die Sektorkopplung zu sprechen. Sie würde wesentlich zur Erhöhung des Anteils an der Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen und zu Effizienzgewinnen beitragen. Sie sei aber nicht ohne Flexibilitäten und kontinuierliche Optimierung zu haben. Ausserdem sei die schwankende, erneuerbare Energieproduktion eine Herausforderung für das Netz. Da erneuerbare Energien 0 Grenzkosten hätten, sei die heutige Beanreizung kontraproduktiv. Gleichzeitig dürfte die Bedeutung von Flexibilitäten in den nächsten Jahren noch weiter ansteigen. Fuchs präsentierte in der Folge eine Lösung für die Sektorkopplung in einem Areal mit Zweckgebäuden. Das Leitsystem und die Automation würde dabei durch eine zusätzliche Simulation für die nächsten 48 Stunden ergänzt, welche die anderen Systeme mit Solldaten versorge. Diese Daten erlauben es den Arealbesitzenden, den Gebäudebetreibenden und dem Energiesystem, ökonomisch bessere Entscheide zu treffen. Optimal funktioniere dieses System aber erst, wenn die Möglichkeit von dynamischen Preisen bestünde.
Jürg Grossen, Nationalrat und Präsident von Smart Grid Ready, rundete den Nachmittag ab. Seit 2010 sinke der Energieverbrauch der Schweiz trotz steigender Bevölkerungszahlen. Die Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Energieträgern liege noch bei 68%. Der Stromverbrauch sei in den letzten 20 Jahren ungefähr gleichgeblieben, was ein klares Zeichen dafür sei, dass die Stromeffizienzmassnahmen griffen. Die Schweiz sei voll im europäischen Stromnetz integriert, weshalb ein Stromabkommen mit der EU so wichtig wäre. 2024 sei in der Schweiz mit 81 TWh so viel Strom produziert worden, wie noch nie. 14% der Produktion für den Stromendverbrauchs stamme dabei von Fotovoltaikanlagen, was 8 TWh entsprach. Probleme bei der Ausgleichsenergie seien vor allem auf die unzuverlässigen Prognosen bei Wetter zurückzuführen. Bei der Elektromobilität sei zu befürchten, dass die Einführung der LSVA auf E-LKW dazu führen könne, dass der Verkauf von E-LKW zusammenbräche. Die E-PKW-Neuzulassungen hätten sich bei 20 Prozent eingependelt. Die Saisonspeicherung lasse sich mit der Erhöhung von Staumauer erreichen, womit neue Kernkraftwerke obsolet würden. Der Sommerüberschuss von PV-Anlagen liesse sich zur Produktion von grünem Wasserstoff nutzen. Sowieso sei die installierte Leistung heute grösser als der grösstmögliche Verbrauch. Mit ZEV, eZEV und den neuen LEG stünden ausserdem Lösungen bereit, die eine dezentrale Harmonisierung und damit eine Entlastung des Netzes erlaubten. Sie benötigten aber ein Energie- und Lastmanagement-System, das als Schnittstelle zu den Verteilnetzbetreibern und den Energieversorgern dient. Das SmartGrid-Ready-Label helfe hier, ein geeignetes System zu beschaffen.