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Herbstplenarversammlung 2022

Am 10. November 2022 fand im Bundeshaus die jährliche Herbstplenarversammlung der Konferenz der Gebäudetechnikverbände KGTV statt. Im Zentrum des Anlasses stand das Thema Energiemangellage und der Beitrag der Gebäudetechnik zur Versorgungssicherheit. Ausserdem hat die KGTV die Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Verbänden ausgelotet.

Die Energiemangellage ist das Thema der Stunde. Mit dieser Einschätzung eröffnete Nationalrätin Franziska Ryser, Präsidentin der KGTV, die diesjährige Herbstplenarversammlung. Die aktuelle Lage sei insbesondere für die Gebäudetechnikbranche eine riesige Chance, weil sich im Augenblick auch jene Leute mit dem Thema auseinandersetzen, die sich in der Regel nicht damit beschäftigen. Die Einsparmöglichkeiten seien gross: Insgesamt werden in den Gebäuden 30% des Stroms verschwendet, beispielsweise durch die Beleuchtung ungenutzter Treppenhäuser oder der Belüftung von Büros ausserhalb der Arbeitszeiten. Es sei deshalb kaum verwunderlich, dass das Thema auch die Politik umtreibt. Die KGTV hatte entsprechend Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung eingeladen, um die aktuelle Lage näher zu beleuchten. 

Versorgungssicherheit 

Eröffnet wurde der Reigen durch Michael Bhend, Stellvertretender Geschäftsführer der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom und Leiter Sektion Netze und Europa. Die ElCom beschäftigt sich schon sein 10 Jahren mit der Frage der Versorgungssicherheit. Aktuell habe sich die Lage in Europa – nicht zuletzt aufgrund des warmen Herbstes – wieder entspannt. Dies zeigen unter anderem die fallenden Energiepreise, welche am Tag der Herbstplenarversammlung bei 40 Rp. pro KWh lagen. Die Situation bleibt aber fragil. Wie resilient die Schweiz ist, wird von der ElCom auf Basis des Winterhalbjahrs ermittelt. Im Moment werden im Winter 5TWh Strom importiert. Diese stammen mehrheitlich aus Frankreich. Die Schweiz geniesst dort aufgrund bilateraler Verträge einen privilegierten Zugang zu drei Kernkraftwerken. Die angespannte Lage wird denn auch nicht primär durch den Ukrainekrieg verursacht, sondern wegen den Reparaturen an den Druckreaktoren in Frankreich. Im Moment sind nur noch rund 50 Prozent der Kernkraftwerke in Frankreich am Netz. Bis Ende Jahr sollen aber wieder alle funktionsfähig sein und zusätzlich 45 GW Strom liefern. Damit wird sich die Situation im Winterhalbjahr gemäss Bhend weiter entspannen. Langfristig beurteilt Bhend die Perspektiven hingegen weiterhin als kritisch. Die durch die Abschaltung der schweizerischen Kernkraftwerke entstehende Stromlücke von 14 TWh liesse sich nur schwer ersetzen, insbesondere, da aktuell im Winter nur 0,7 TWh Solarenergie zur Verfügung stehen und sich der Zubau auf 0,1 TWh pro Jahr beschränkt. Ein vollkommener Ersatz stünde also erst in 140 Jahren zur Verfügung. Der Zubau von Solarenergie müsste um den Faktor 5 erhöht werden. Gleichzeitig verschärft der vermehrte Einsatz von Wärmepumpen und Elektromobilität das Problem zusätzlich. Die 

Ausführungen von Michael Bhend wurden im Anschluss von Stephan Schmitt, Leiter Zentraler Betrieb der BKW und Regionenverantwortlicher der Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen OSTRAL, weiter präzisiert. Die OSTRAL ist eine Kommission des VSE und wird im Auftrag des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung bei einer Strommangellage aktiv. Schmitt erklärte, welche Massnahmen beim Ausfall von mehreren wesentlichen Energieproduzenten ergriffen würden: Nach ersten Verboten und Verbrauchseinschränkungen käme es in einem zweiten Schritt zur Kontingentierung für Grossverbraucher und zuletzt zu zyklischen Abschaltungen. Schmitt hält letzteres aber für sehr unwahrscheinlich, da die Wirtschaft dies gar nicht verkraften könne und die Netzte auch nicht darauf ausgelegt sind. Z.B. ist eine Ausnahme für kritische Infrastrukturen wie Spitäler gar nicht möglich. Schmitt geht deshalb davon aus, dass die Kontingentierung das wichtigste Instrument für die Zukunft wird und noch ausgebaut werden dürfte, so dass 5- 15% zusätzliche Einsparungen möglich werden. Den Energieversorgern kommen im Moment hauptsächlich informative Aufgaben zu. Die BKW berät ihre Grosskunden, verbessert die Kommunikationsflüsse und tauscht sich mit den kantonalen Führungsstäben aus. Daneben berechnet sie die Kontingente und führt erste Kontingentierungstests vor. Weiter trifft sie Vorbereitungen betreffend kritischen Infrastrukturen, Pikettorganisation und Resilienz. 

Podium zur Zukunft der Energieversorgung

Michael Bhend und Stephan Schmitt nahmen auch am von Franziska Ryser geleiteten Podium zur Zukunft der Energieversorgung teil, zu dem die beiden Nationalräte Christian Imark, SVP, und Kurt Egger, Grüne, dazu stiessen. Einig waren sich die Teilnehmenden darin, dass es in diesem Winter zu keiner Mangellage kommen werde. Dazu habe auch der Bundesrat mit seinen kurzfristigen Massnahmen beigetragen. Ebenfalls Einigkeit herrschte darüber, dass jetzt dringend Massnahmen für den Winter 2023/2024 getroffen werden müssen. Über die richtigen Mittel gingen die Meinungen aber auseinander: Während Kurt Egger hauptsächlich auf Sparziele, Branchenvereinbarungen und Stromspar-Auktionen setzen will, sieht sein Ratskollege Christian Imark eher die Notwendigkeit eines Kapazitätsausbaus. Uneinig waren sich die Podiumsteilnehmer auch über die Ursache der aktuellen Lage. Während Christian Imark und Michael Bhend von einem funktionierenden Strommarkt ausgehen, sieht Kurt Egger ein Marktversagen, das dringend einer Klärung der Verantwortungen und eines stärkeren sozialen Gewissens aller Akteure bedarf. Stephan Schmitt erklärte, dass Überlegungen zur sozialen Verantwortung die BKW dazu bewogen haben, bei der Hydroreserve mitzubieten. Für Michael Bhend wiederum ist der Energiemarkt ein relativ emotionsloses Geschäft. Die Forderung nach klaren Verantwortlichkeiten unterstützt er aber. Wenig abgewinnen kann er hingegen der Forderung nach Energieautarkie, da die Schweiz gut im gesamten Verbundsystem integriert sei. Überstimmend kommen die Podiumsteilnehmenden zum Schluss, dass der Preis für Strom in der Schweiz immer noch sehr tief ist. Mit welchen Mitteln er künftig produziert werden soll, blieb hingegen Teil der Kontroverse. 

Kooperationen 

Am Nachmittag stellt Markus Weber das Tool myEnergieGuide vor. Die Software kann durch Eingabe der Koordinaten eines Objekt auf Basis öffentlicher Daten alle Informationen ausgeben welche Bauherrschaften, Planende und Unternehmen benötigen, um den Energieverbrauch von Gebäuden zu optimieren. Das Tool soll zudem künftig auch Finanzdienstleistern und den Behörden zur Verfügung gestellt werden und damit auch zu einer grösseren Arealbetrachtung beitragen. Die KGTV hat ausserdem Verbandsrepräsentierende von verschiedenen nahestehenden Verbänden eingeladen um mögliche Kooperationen zu sondieren. Jörg Jermann von Powerloop zeigte die Einsatzmöglichkeiten von WKK-Anlagen, Wärmepumpen und Power-to-Gas-Anlagen, Martin Liechti vom Verband Fernwärme Schweiz erläuterte die Bedeutung der Nutzung von Abwärme und wie diese über Wärmeübergabestationen eine Schnittstelle mit der Gebäudetechnik aufweisen. Cédric Höllmüller von Geothermie Schweiz erklärte die Herausforderungen bei der untiefen und mitteltiefen Geothermie und die Möglichkeit zur Koppelung mit Fernwärme. Cristina Schaffner von bauenschweiz zeigte die Möglichkeiten der politischen Einflussnahme des Dachverbands der Baubranche und die konkreten Anknüpfungspunkte zur KGTV. In ihrem Fazit zur Versammlung kommt Franziska Ryser auf die spannenden Weiterentwicklungsmöglichkeiten für die KGTV zu sprechen. Die hohe Aufmerksamkeit für Energiefragen und die zahlreichen Kooperationsmöglichkeiten werden die Arbeit der KGTV auch in Zukunft sehr spannend machen.