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«Technik ist ein Schlüssel zur Energiewende»

Die Gebäudetechnik sei ein Schlüsselelement für die Energiewende und werde in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen, ist Franziska Ryser überzeugt. In ihrem ersten grossen Interview als neugewählte Präsidentin der Konferenz der Gebäudetechnik-Verbände (KGTV) verspricht die St. Galler Nationalrätin und Vizepräsidentin der Grünen Schweiz, die erfolgreiche Amtsführung ihres Vorgängers Jürg Grossen (Nationalrat, GLP) fortzuführen und gleichzeitig als Frau und Vertreterin einer jüngeren Generation neue Akzente zu setzen. 

In ihrem ersten offiziellen Interview als amtierende KGTV-Präsidentin zeigt sich Franziska Ryser angetan von der optimistischen Grundhaltung in der Gebäudetechnik. Der Branche attestiert sie grosse Zukunftschancen. Dieses Potenzial gelte es nun zu erkennen und im Sinne der klimapolitischen Ziele der Energiewende auszuschöpfen. Der Entwicklung und Umsetzung neuer technologischer Lösungen komme in dieser Hinsicht eine entscheidende Rolle zu. Handlungsbedarf sieht Ryser vor allem bei der Aussenwahrnehmung der Branche sowie bei der tiefen Sanierungsrate insbesondere privater Liegenschaften. Auch beim notorischen Fachkräftemangel sieht sie Verbesserungsmöglichkeiten, speziell in Bezug auf die Ausgestaltung attraktiverer und stufengerechterer Ausbildungsgänge. Was die Amtsführung und interne Verbandsarbeit betrifft, so setzt Ryser auf Kontinuität, gerade auch im Hinblick auf die energiepolitischen Ziele des Dachverbands. 

Was können Sie über die Umstände sagen, wie die Wahl für die Nachfolge von Jürg Grossen im Präsidium der KGTV auf Sie fiel? 

Ich politisiere zusammen mit Jürg Grossen im Nationalrat. Wir sind beide in der Wirtschaftskommission, wo wir uns kennen und schätzen gelernt, aber auch fachlich und beruflich ausgetauscht haben. Gleichzeitig befindet sich die KGTV gegenwärtig in einer Situation, in der zwar kein Wechsel, aber doch eine neue Phase ansteht. Nach der Gründung galt es, sich bei der Energiestrategie 2050 einzubringen. Hier wurde erfolgreiche Arbeit geleistet. Jetzt geht es darum, neue Wege zu beschreiten und die Anliegen der Gebäudetechnik bei den anstehenden Gesetzesvorlagen einzubringen. In diesem Sinne war es eine gute Gelegenheit, ein guter Rahmen, um mit dem Wechsel zu meiner Person eine neue Generation ans Ruder zu lassen, die zwar fachlich nicht aus der Branche kommt, dafür aber die Verbindung zur Politik schlagen kann. 

Was hat Sie dazu bewogen, die Kandidatur und letztlich die Wahl anzunehmen? 

Fachlich finde ich die Gebäudetechnik sehr spannend. Als Jürg Grossen das Gespräch mit mir suchte, setzte ich mich intensiver mit der Thematik auseinander. Ich bin der Meinung, dass die Branche viele Themen beinhaltet, die sehr relevant sind. Die Gebäudetechnik ist bereits heute von grosser Bedeutung. Dennoch wird sie in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren noch einmal an Wichtigkeit dazugewinnen. Wollen wir unsere Klimaziele erreichen, dann müssen die Gebäude energieeffizienter werden und ihr Energiesparpotenzial noch stärker nutzen. Und hier ist die Gebäudetechnik ein Schlüssel. Deshalb freue ich mich darauf, meinen Beitrag zu leisten und gemeinsam mit der KGTV den Wandel weiterzuführen. 

In Ihrem Statement unmittelbar nach der Wahl sagten Sie, Sie wollten die Anliegen der KGTV ins Bundeshaus hineintragen. Wie gedenken Sie dies zu tun? 

Eine bedeutende Schiene bilden die Vernehmlassungen, bei denen laufende Gesetzesprojekte behandelt werden. Hier ist es wichtig, dass sich auch die einzelnen Mitgliedervereine einbringen. Doch wenn unter dem Dach der KGTV als Zusammenschluss eine Stellungnahme veröffentlicht wird, um direkte Verbesserungsvorschläge zu machen, dann hat dies mehr Gewicht. Die zweite Schiene, die ich als ebenso wichtig erachte, ist die Bereitschaft zum Aufgreifen von Themen, die aufs politische Parkett kommen und in Zukunft Einfluss ausüben könnten auf die gesamte Branche. Es geht darum, sensibilisiert zu sein, um solche Themen frühzeitig aufzunehmen und in den Verband hineinzutragen, sie zu diskutieren, gewisse Ideen zu platzieren und Informationen weiterzuleiten, und zwar bevor überhaupt ein gesetzgeberischer oder regulatorischer Prozess angestossen wird. Die dritte Schiene sehe ich in den informellen Lobbying-Gesprächen, die man an Veranstaltungen mit Nationalratskolleginnen und -kollegen führt. Hier bietet sich die Gelegenheit, gewisse Themen darzulegen, Informationen zu vermitteln und Überzeugungsarbeit zu leisten. 

Wie wichtig ist es für die KGTV, mit Ihnen als Parlamentarierin einen direkten Draht ins Bundeshaus zu haben? 

Es hilft den Anliegen eines Verbandes, jemanden zu haben, der innerhalb der Kommissionen direkt Sachthemen vertreten kann. Dadurch hat man einen direkteren Zugang zu den Informationen und zu den Menschen. Man kann schneller intervenieren, bekommt informelle Gespräche mit, die in der Wandelhalle geführt werden, und gelangt so zu umfassenderen Informationen, die über den Gehalt offizieller Medienmitteilungen hinausgehen. Mit anderen Worten: Es hilft, um den Fuss frühzeitig in die Tür zu setzen. 

Wie wollen Sie die Interessen der 29 KGTV-Mitglieder ermitteln und bündeln? 

Dies hat in der Vergangenheit gut funktioniert, da die verschiedenen Vereine und Verbände im Vorstand vertreten sind und somit ihre inhaltlichen Themen einbringen konnten. In regelmässigen Veranstaltungen wie den Sommerworkshops oder den Plenarversammlungen informieren die einzelnen Vereine, welche Themen sie aktuell beschäftigen. Und so können verbandsintern die Schnittmengen ermittelt und ein gemeinsamer Nenner gefunden werden. Ich sehe die Aufgabe der KGTV nicht darin, die Anliegen einzelner Mitgliedervereine eins zu eins zu vertreten, sondern dafür zu sorgen, die gemeinsamen Interessen aller mit der notwendigen Überzeugung und dem entsprechenden Gewicht einzubringen. 

Welche Strategie sollte die KGTV Ihrer Meinung nach verfolgen? 

Strategisch wichtig ist, dass man Themen nicht bloss dann einbringt, wenn sie gerade auf dem Tisch liegen, denn dann ist es meistens schon zu spät, sondern dass man bei den entsprechenden Bundesämtern die Sensibilität fördert und ein Austausch stattfindet, damit die Verwaltung die Anliegen kontinuierlich vernimmt und die Informationen stetig fliessen. Auf diese Weise gelingt es, Sachanliegen rechtzeitig anzustossen. In diesem Sinne ist der Austausch mit dem Vertreter des Bundesamts für Energie, der als Gast bei den KGTV Verbandssitzungen dabei ist, ein sehr bedeutsamer Aspekt. Umgekehrt betrachte ich es als meine Aufgabe, die parlamentarischen Informationen frühzeitig und kontinuierlich in den Verband hineinzutragen. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren wird sein, als konstruktiver Partner aufzutreten. Wir müssen zeigen, dass die Gebäudetechnik als Branche präsent ist, Themen angeht und Lösungen anbietet. Wenn wir das so umsetzen, sind wir in einer guten Position, um regulatorische Massnahmen in die richtige Richtung zu lenken. 

Welche konkreten Ziele muss der Verband prioritär angehen? 

Mit dem CO2-Gesetz haben wir bereits Ziele für die Zukunft festgelegt. Wird es vom Volk angenommen, dann werden wir über den finanziellen Spielraum und die Instrumente verfügen, um zügiger vorwärts zu machen. Allerdings sollte die Gebäudetechnik als Schlüsselelement im Klima- und Umweltbereich in Zukunft noch präsenter sein und von der Politik wie von der Gesellschaft besser wahrgenommen werden. Und damit komme ich auf den zweiten wichtigen Punkt: Die Attraktivität der Branche sollte noch stärker nach aussen ausstrahlen. In gewissen Bereichen bräuchte es derzeit mehr ausgebildete Fachleute. Ziel ist es, Menschen für diese Branche zu gewinnen und ihnen einen guten Einstieg in diese Berufe zu ermöglichen. 

Sie sagten nach Ihrer Wahl, dass die Technologie ein Schlüssel sei für die Energiewende. Inwieweit wird einerseits der freie Markt imstande sein, diese Technologien zu entwickeln oder weiterzuentwickeln, und wie stark muss andererseits der Staat mit Gesetzen und Verordnungen eingreifen oder steuern, um solche technologischen Fortschritte herbeizuführen? 

Bei der Entwicklung neuer technologischer Lösungen funktioniert der Markt sehr gut, insbesondere im Zusammenspiel mit Akteurinnen und Akteuren aus der Wissenschaft, beispielsweise den Fachhochschulen oder dem Innovationsförderprogramm Innosuisse. Hier ist die Schweiz weltweit an vorderster Front mit dabei. Bei der Umsetzung neuer Technologien bedarf es jedoch in gewissen Bereichen regulatorischer Rahmenbedingungen, besonders wenn man unter Zeitdruck steht. Und wenn es um die Energiewende geht, dann stehen wir unter Zeitdruck. Denn wir müssen gemäss den klimapolitischen Zielen des CO2-Gesetzes aus den fossilen Energien rasch aussteigen, und gemäss Energiestrategie 2050 ebenso aus der Atomenergie. Dies bedingt, dass man mit dem Ausbau der Erneuerbaren schneller vorwärts macht. Dafür braucht es Anreize und regulatorische Rahmenbedingungen, damit dies in der notwendigen Geschwindigkeit umgesetzt wird. 

Gebäude sind für 45 Prozent des nationalen Energieverbrauchs verantwortlich. Im Bereich der Wärmeerzeugung gibt es also noch viel zu tun. Wie kann Ihrer Meinung nach die Wechselrate von fossilen zu erneuerbaren Heizsystemen erhöht werden? 

Man muss hier zwischen Neubauten und Sanierungen unterscheiden. Bei neuen Gebäuden ist es nicht mehr verantwortbar, auf fossile Heizsysteme zu setzen. Mit dem neuen CO2- Gesetz haben wir die notwendigen Instrumente, dass dies im Regelfall auch nicht mehr geschieht. Bei der Sanierungsrate sind wir meines Erachtens aber noch nicht schnell genug unterwegs. Hier ist insbesondere bei den privaten Liegenschaftsbesitzerinnen und -besitzern das Potenzial gross. Der finanzielle Anreiz durch «Das Gebäudeprogramm» ist ein Schlüsselelement, um auch jene Hausbesitzerinnen und -besitzer abzuholen, die sich dies finanziell nicht leisten können oder eine Liegenschaft in naher Zukunft veräussern. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, die notwendigen Investitionen zu tätigen und den Wert der Liegenschaft zu erhalten. 

Welche weiteren Impulse wird das neue CO2-Gesetz sonst noch geben können? 

Da die kantonalen Mittel für «Das Gebäudeprogramm» vom Bund neu verdreifacht werden, ist sichergestellt, dass dieses bisher bewährte Instrument seine Wirkung verstärkt entfalten kann. Ein zweiter Aspekt betrifft eher die kommunikative Ebene: Die Liegenschaftsbesitzerinnen und -besitzer profitieren von fachlicher Beratung. Die Beratungsangebote bieten Orientierung, wie Energiesparmassnahmen und technische Alternativen zur Energie- und Wärmeerzeugung in Gebäuden umgesetzt werden können, sei dies jetzt eine Erdsonde, ein Anschluss an ein Fernwärmenetz oder eine Holzschnitzelheizung. Somit ist auch die Zurverfügungstellung von Informationen ein wichtiger Aspekt. Denn nicht jede private Liegenschaftsbesitzerin bzw. -besitzer kennt sich so gut aus, um solche Entscheidungen selber zu treffen. Andere Elemente bilden die Abwrackprämie oder die bessere Absicherung von Bankdarlehen und Investitionen von Finanzinstituten zur Realisierung klimafreundlicher Sanierungen. Damit soll gewährleistet werden, dass die Gelder letztlich auch gesprochen und Massnahmen rasch umgesetzt werden. 

In Ihrer kurzen Rede nach der Wahl strichen Sie die Bedeutung gut ausgebildeter Fachkräfte heraus. Welche Lösungskonzepte erachten Sie bezüglich des notorischen Fachkräftemangels als vielversprechend? 

Die Ausbildungsgänge auf den verschiedenen Stufen sollten so angepasst werden, dass sie erstens offen genug sind, damit Menschen mit einem anderen Bildungshintergrund einsteigen können, und zweitens umfassend genug, damit sie die Menschen dazu befähigen, innerhalb der Branche verschiedene Arbeiten zu absolvieren. Wir werden in den nächsten Jahren einen Strukturwandel erleben: Im Tourismus oder der Gastronomie werden nach der Coronakrise nicht mehr gleich viele Jobs vorhanden sein wie davor, und auch die Digitalisierung führt zu einer Verlagerung der Arbeitsplätze. Diese Leute muss man ansprechen und ihnen den Einstieg in die Gebäudetechnik ermöglichen. 

Für die Branchenberufe wird Werbung gemacht. Suissetec fährt schon seit Jahren diverse Imagekampagnen. Auch jetzt läuft gerade eine, welche die Verbindung zur streikenden Klimajugend schlägt. Was halten Sie von solchen Werbemassnahmen? 

Ich finde die Kampagne der Suissetec sehr gut, sie fällt auf, ist präsent und kommt gut an. Sie ermöglicht es, auch neue Gesellschaftsgruppen anzusprechen, wie beispielsweise Jugendliche, die bereits eine erste Berufsausbildung in einem anderen Bereich oder die Berufsmittelschule abgeschlossen haben. 

Ihr Statement an der Generalversammlung schlossen Sie mit einem positiven Zukunftsblick. Sie betonten vor allem die Chancen. Was stimmt Sie so optimistisch? 

Was bei der Gebäudetechnik auffällt: Die Branche ist sich der Umweltthematik bewusst und bereits seit längerer Zeit daran, Lösungen zu finden und aktiv einzubringen. Dies ist nach meiner Auffassung die allerbeste Voraussetzung für den Erfolg. Dass in der Vergangenheit so viele Anträge aus der Branche Eingang in die Energiestrategie fanden, ist ein Ergebnis dieser Grundhaltung. Die Tatsache, dass das grosse Potenzial der Gebäude erkannt und als Chance für Wirtschaft und Umwelt wahrgenommen wird, werte ich als positives Zeichen. 

Ist die Branche folglich für den bevorstehenden Wandel gut aufgestellt? 

Mit dem Zusammenschluss zur KGTV hat sich die Branche bereits gut positioniert. Über die Konferenz der Gebäudetechnikverbände können Anliegen eingebracht und die gemeinsamen Ziele rascher und effizienter erreicht werden. Davon profitieren wieder alle einzelnen Verbände. 

Sie sind ausgebildete Maschinenbauingenieurin. Inwiefern wird Ihnen dieses Fachwissen bei der Amtsführung helfen? Haben Sie dadurch ein besseres Verständnis für Hersteller und Installateure gebäudetechnischer Anlagen und Systeme? 

Sowohl mein fachliches Interesse als auch mein technisches Verständnis wird mir bei der Amtsausübung sicherlich helfen. Die Interessen der einzelnen Mitgliedervereine und der Firmen, die sie vertreten, liegen mir am Herzen. 

Welche Impulse darf die Branche von einer Politikerin wie Ihnen erwarten, gerade als Frau und als Vertreterin der Generation der Millennials? Haben Sie womöglich einen anderen, frischeren Zugang zu alten Themen und Problemen? 

Ich bin überzeugt, dass mit jedem personellen Wechsel neuer Wind und andere Perspektiven in eine Organisation kommen. Der Branche wird es sicherlich nicht schlecht anstehen, mit einer Vertreterin der jüngeren Generation nach aussen zu gehen, die zeigt, dass sich auch Frauen in der Branche engagieren. Unabhängig von der Generation ist es entscheidend, all jene Kräfte anzusprechen, die sich aktiv für eine erfolgreiche Energiewende einsetzen. 

Darf ich Sie bitten, zum Schluss noch einen Ausblick zu machen? 

Viele der Herausforderungen, die angegangen werden müssen, sind nicht neu. Aber die Klimathematik hat in den letzten zwei, drei Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Es kommt eine neue Generation, die eine andere Sensibilität mitbringt und das Thema anders betrachtet und gewichtet. Sie bringt auch eine grössere Bereitschaft mit, sich für die Umwelt stark zu machen. Mit dem neuen CO2-Gesetz kommt zudem Beschleunigung in die Umsetzung klimafreundlicher Technologien. In einem solchen Umfeld ergeben sich somit für die KGTV neue Chancen, alte Probleme anzupacken. Ich hoffe, dass ich hierzu meinen Beitrag leisten kann. Insofern bin ich zuversichtlich, dass der Austausch, wie er unter meinem Vorgänger Jürg Grossen stattfand, auch unter mir fortgesetzt wird. 

Interview Antonio Suárez